Über die Kunst, Entscheidungen zu treffen

Steine mit Fragezeichen

Ich habe lange über mich gesagt, dass ich keine Entscheidungen treffen könne. Stattdessen schwirrten die unterschiedlichen Optionen über Tage und Wochen in meinem Kopf. Die Gedanken drehten sich immer wieder im Kreis, ohne dass eine Entscheidung fiel. Heute ist das etwas anders. Inzwischen mag ich es, mich zu entscheiden.

Entscheidung ist natürlich nicht gleich Entscheidung. Jeden Tag entscheiden wir uns unzählige Male für oder gegen etwas. Was wir morgens anziehen, was wir essen, welchem To Do wir uns zu erst widmen, welche Serie wir abends noch gucken wollen. Diese kleinen Alltagsentscheidungen beeinflussen unser Leben im Normalfall nicht nachhaltig. Vielleicht machen sie uns in der ein oder anderen Situation mehr oder weniger zufrieden. Aber in den meisten Fällen wissen wir einige Tage später wohl kaum noch, welches Outfit wir an dem einen Tag genau an hatten oder welcher Aufstrich auf unserem Brot war.

Stifte und Notizblock

Entscheidungen, die unser Leben verändern

Doch dann gibt es da auch noch die großen Entscheidungen. Die Entscheidungen, die unser Leben für mehr als nur die nächsten fünf Minuten beeinflussen. Ob wir uns für den einen oder anderen Studiengang einschreiben. Ob wir unseren Job kündigen oder nicht. Ob wir den Umzug in eine andere Stadt wirklich wagen. Wenn man solche lebensverändernden Optionen vor sich hat, kann es durchaus zermürbend sein, den Entscheidungsprozess zu durchlaufen. Im Kopf entstehen Bilder, wie die eine und wie die andere Situation wohl wäre. Es kann aufregend sein, sich selbst schon in einer neuen unbekannten Zukunft zu sehen. Oder plötzlich fühlt sich das Altbekannte doch ganz vertraut und sicher an.

Gerade in beruflichen Fragen sind Entscheidungen nicht selten existenziell. Von unserer Arbeit hängt in der Regel unser Einkommen und sie kann unsere Lebenszufriedenheit wesentlich beeinflussen. Auch zeitlich gesehen, ist der Job ein großer Faktor in unserem Alltag. Insofern werden berufliche Entscheidungen selten unüberlegt getroffen und haben meist einen weitreichenden Einfluss auf unser Leben. Daher liegt es nahe, dass Menschen in solchen Momenten schnell ins Grübeln verfallen. Wie fühlt sich der Gedanke an die Selbstständigkeit an? Würde ich mich damit freier fühlen oder eher unsicher? Lohnt sich die Investition in die Fortbildung, weil sie mich meinem beruflichen Ziel näher bringt? Oder würde ich auf halber Strecke merken, dass mir das Thema gar nicht liegt?

Solche Gedankenspiele können uns zwar unsere Gefühle offenbaren. Das Problem ist aber, dass sie durchaus trügerisch sind. Denn es gibt keine parallelen Realitäten. Wir werden nie wissen, wie unser Leben wäre, wenn wir Option A statt Option B wählen würden. Wir bewegen uns mit unserem Gedankenkarussell stets im Ungewissen, verfallen in Mutmaßungen und in Konjunktive. Und die phantasievollen Welten, die wir für uns ausmalen, können sich je nach Tagesform widersprechen. Während sich der Gedanke an die Kündigung ins Blaue hinein heute nach der größten Befreiung anfühlt, kann mir die darauf folgende Ungewissheit morgen schreckliche Angst machen. Letztendlich kann niemand vorhersagen, wie es in der Realität wirklich sein wird. Wie lässt sich dieses Karussell also anhalten?

Pfeile in zwei Richtungen

Was bei der Entscheidungsfindung helfen kann

Auch wenn es uns hin und wieder schwerfallen mag: Im Laufe des Lebens sind wir gezwungen, Entscheidungen zu treffen. Klassische Tipps wie eine Pro- und Contra-Liste anzufertigen oder eine Münze zu werfen, können hin und wieder helfen, um zumindest eine Tendenz zu bekommen. Über die Jahre habe ich für mich darüber hinaus einige Erkenntnisse gewonnen, die ich gerne teilen möchte.

  1. Was ist das Schlimmste, das passieren kann? Sich diese Frage mit Blick auf die zu treffende Entscheidung zu stellen, kann hilfreich sein, um die Angst zu verlieren. Was ist das Schlimmste, das passieren kann, wenn ich mich für Option B entscheide? Wenn ich die Fortbildung anfange und plötzlich merke, dass es doch nicht das richtige Thema für mich war. Dann habe ich im schlimmsten Fall Geld verloren. Wenn mich das nicht in existenzielle Nöte bringt, ist es den Versuch vielleicht trotzdem wert. Und der Erfahrungsschatz wächst allemal.
  2. Aufs Bauchgefühl hören: Wenn wir mit einer Entscheidung konfrontiert sind, haben wir meist direkt zu Beginn ein ganz klares Bauchgefühl. Es kommt Euphorie in einem auf oder es entsteht ein Gefühl der Ablehnung. Dieser allererste Impuls berät einen meist ganz gut. Natürlich gibt es auch rationale Aspekte, die gerade große, lebensverändernde Entscheidungen beeinflussen. Doch oftmals überlagen die Gedanken dann unseren Instinkt. Daher lohnt es sich bei wichtigen Entscheidungen ganz genau in sich hinein zu hören. Sträubt sich etwas in mir beim Gedanken, das Jobangebot anzunehmen? Das könnte das Unbehagen sein, unbekanntes Terrain zu begehen – das Gefühl könnte mir aber auch verdeutlichen, dass die Stelle nicht zu mir passt. Meistens ist einem die Antwort klar, wenn man ganz ehrlich zu sich ist.
  3. Im Hier und Jetzt bleiben – das ist in vielen Momenten des Lebens ratsam. Auch bei wichtigen Entscheidungen empfiehlt es sich, diese aus der momentanen Lebenslage heraus zu treffen und nicht schon den nächsten und übernächsten Schritt antizipieren zu wollen. Was wäre denn, wenn ich den Arbeitsvertrag jetzt unterschreibe und danach noch eine viel spannendere Stellenausschreibung finde? Das kann leider niemand beantworten. Insofern kostet es nur Energie, sich um solch hypothetische Fragen den Kopf zu zerbrechen.
  4. Eine Entscheidung kann auch wieder neu getroffen werden. Die meisten großen Entscheidungen sind schlecht revidierbar. Ein neuer Mobilfunkvertrag lässt sich möglicherweise noch widerrufen – was durchaus in Ordnung ist, wenn eine undurchdachte Entscheidung plötzlich bereut wird. Doch wer seinen Arbeitsvertrag gekündigt hat, muss mit den Konsequenzen erstmal umgehen. Sollten wir aber im Nachgang mit unserer Entscheidung hadern, dann ist es nicht verwerflich, direkt nach der nächsten Veränderung zu suchen. Auch wenn also bestimmte Entscheidungen bindend sind – nichts muss für die Ewigkeit sein.
  5. Wenn die Entscheidung steht, aufhören zu hinterfragen. Ist es nicht so: Wenn eine lange hin und her gewälzte Entscheidung endlich getroffen ist, fühlt sich das meist ziemlich gut an? Sich zu entscheiden und damit Tatsachen zu schaffen, ist oftmals auch eine Erleichterung. Damit wir dieses Gefühl bewahren können, sollten einmal (wohl überlegt) getroffene Entscheidung nicht auf Neue hinterfragt werden. Freut euch lieber, dass ihr euch entschieden habt und seit gespannt auf das, was diese Entscheidung für euer Leben bedeutet.

Inzwischen finde ich große Entscheidungen nicht mehr so beängstigend und überfordernd, sondern eher aufregend. Denn solche Entscheidungen bringen meist Neues mit sich. Damit geht die Chance einher, sich weiterzuentwickeln, vielleicht auch zu scheitern und daraus zu lernen.

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2 Kommentare

  1. […] Was mir eigentlich immer ziemlich gut meine Bedürfnisse verdeutlicht, ist mein Bauchgefühl. Meistens gibt es einen ganz klaren Impuls, der dann durch (vermeintliche) Erwartungen von außen in Frage gestellt wird. Hier lohnt es sich oft, nochmal genauer hinzuhören und dem Bauchgefühl Raum zu geben. Genauer habe ich dazu auch in dem Artikel geschrieben: Über die Kunst, Entscheidungen zu treffen. […]

  2. […] und dem Bauchgefühl Raum zu geben. Genauer habe ich dazu auch in dem Artikel geschrieben: Über die Kunst, Entscheidungen zu […]

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